Bei idealem Wanderwetter machte sich eine große Zahl von interessierten Niedernhausenerinnen und Niedernhausenern am 12. und 13. Mai auf den Weg zu drei so genannten Windkraft-Vorranggebieten in der Gemeinde. Windkraft-Vorranggebiete sind Flächen, die für den Bau von Windkraftanlagen vorgesehen sind. Sie sind im Falle von Niedernhausen in einem Regionalplan für Südhessen ausgewiesen und unterliegen strengen Kriterien. So muss beispielsweise ein Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohngebieten gegeben sein. Außerhalb dieser Gebiete ist die Errichtung von Windkraftanlagen in Hessen unzulässig.
Am 8. Oktober dieses Jahres sind die Bürgerinnen und Bürger Niedernhausens aufgerufen, in einem Bürgerentscheid darüber abzustimmen, ob die Gemeinde grundsätzlich den Bau von Windkraftanlagen auf Gemeindegebiet voran treiben sollte oder nicht. Eine an sich einfach klingende Frage, die aber bei den Bürgerinnen und Bürgern viele Detailfragen aufwirft. Solche wurden bei den drei Ortsbegehungen auch in großer Zahl gestellt. Gegner und Befürworter waren gleichermaßen bei den Terminen vertreten und diskutierten bisweilen leidenschaftlich miteinander.
Am Freitag, den 12. Mai, ging es zunächst nach Engenhahn zur ersten Vorrangfläche auf der Flanke der Hohen Kanzel (offizielle Bezeichnung 2-384a). Am folgenden Tag standen zwei weitere Exkursionen an, auf den Hahnberg zwischen Niedernhausen und Naurod (2-385) sowie zur dritten Vorrangfläche in der Nähe des „Hohlen Steins“ zwischen Oberseelbach und Oberjosbach (2-359).
Vor Ort informierten Joachim Rippelbeck und Christoph Dries vom zuständigen Forstamt Chausseehaus über die genaue Lage der Vorrangflächen. Niedernhausens Bürgermeister Joachim Reimann und der Umweltbeauftragte der Gemeinde Martin Stappel beantworteten Fragen.
Eine erste wichtige Erkenntnis der Ortsbegehungen ist, dass nur eine der drei Flächen, auf dem Hahnberg, komplett im Besitz der Gemeinde Niedernhausen ist. Die Fläche an der Hohen Kanzel ist zum größten Teil im Besitz des Landes Hessen und der Stadt Idstein, die Fläche am Hohlen Stein „teilt“ sich Niedernhausen mit der Stadt Eppstein. Die Bürgermeister der beiden Nachbarstädte Christian Herfurth (Idstein) und Alexander Simon (Eppstein) nahmen an den entsprechenden Besichtigungen teil. Bürgermeister Joachim Reimann erklärte dazu: „Entwicklungen auf diesen Flächen können nur in Zusammenarbeit mit unseren Nachbarkommunen erfolgen. Auch seitens der Nachbarn wird bislang betont, dass es keine Alleingänge geben soll.“
Von Seiten der Teilnehmenden kamen viele Fragen zu Details. Wo genau könnten auf den Vorrangflächen Windkraftanlagen entstehen? Muss für die Anlagen alter Baumbestand weichen oder werden Kahlflächen genutzt? Wie würde die Zuwegung zu den Baustellen erfolgen? Gibt es Auswirkungen auf das Grundwasser? Wie viele Anlagen könnten entstehen und wie weit entfernt wären diese von der Wohnbebauung? Die Vertreter der Gemeinde erklärten, dass es beim Bürgerentscheid zunächst nur um die Grundsatzentscheidung geht, ob die Gemeinde überhaupt in die Planung von Windkraftanlagen auf den dafür zur Verfügung stehenden Flächen einsteigen soll. Viele Details wären dann erst Bestandteil der vorzunehmenden Prüfungen im Rahmen der Genehmigungsverfahren.
Lagepläne und Flächensteckbriefe der Vorrangflächen sind bereits auf der Webseite der Gemeinde Niedernhausen einsehbar, weitere Detailinformationen, auch zu den während der Begehungen am meisten gestellten Fragen, wird die Gemeinde in den nächsten Wochen bereitstellen. Nach den Sommerferien soll es mindestens eine große Informationsveranstaltung geben. „Wir werden den Bürgerinnen und Bürgern Niedernhausens so viele Informationen wie möglich zur Verfügung stellen und in den nächsten Wochen reichlich Gelegenheit zu Austausch und Diskussion haben,“ so Bürgermeister Joachim Reimann. „Am 8. Oktober können wir dann auf gut informierter Grundlage gemeinsam eine solide Entscheidung treffen.“