Süden: L3028 an der Autobahnauffahrt oberhalb des H+ Hotel
Der südlichste Punkt des Niedernhausener Gemeindegebietes ist eigentlich kein besonders schönes Fleckchen. Man kann nicht entspannt zu Fuß hin spazieren, aber spätestens, wenn wir das nächste Mal mit dem Auto auf die A3 in Richtung Frankfurt fahren, passieren wir diese Stelle. Der südlichste Punkt liegt laut Google Maps an der Landesstraße L3028, zwischen den Autobahnauffahrten in Richtung Köln bzw. Frankfurt, oberhalb des H+ Hotels und des ehemaligen „Rhein-Main-Theaters“.

(Die südlichste Ecke Niedernhausens "überfährt" man meist nur mit dem Auto...)
Eine von Straßen geprägte Ecke unserer Gemeinde, die uns an Niedernhausens Rolle als Verkehrsknotenpunkt erinnert. Niedernhausen selbst liegt in einem Talkessel der an beiden Seiten je einen engen Durchlass oder Pass durch den Taunus-Hauptkamm aufweist. Der südliche dieser beiden Pässe liegt genau hier: Die Autobahn, zwei Landesstraßen und drei Bahnlinien (ICE Frankfurt-Köln, Strecke Frankfurt-Limburg und Strecke Niedernhausen-Wiesbaden) „quetschen“ sich hier durch eine Lücke in der Hügelkette. Das Gleiche wiederholt sich etwa vier Kilometer nordwestlich am Ortsausgang von Königshofen. Der Engpass durch den Taunuskamm wird von einer markanten Felsengruppe aus Taunusquarzit geprägt, dem „Grauen Stein“. Die Felsengruppe war früher ein beliebtes Ausflugsziel, wie es der „Hohle Stein“ bei Oberseelbach immer noch ist. Warum kennt heute fast niemand mehr in Niedernhausen dieses Naturdenkmal? Der „Graue Stein“ ist, so könnte man sagen, „verschwunden“, er liegt wie auf einer Insel zwischen der Autobahnauffahrt und der A3. Für Fußgänger praktisch unzugänglich. Nur im Vorbeifahren auf der Autobahn sieht man die felsige „Insel“.

(Der "graue Stein" als Ausflugsziel auf einer Postkarte aus dem Jahr 1899.)
1934 war es mit der Idylle am „Grauen Stein“ vorbei. In diesem Jahr begann der Bau der Autobahnstrecke zwischen Köln und Frankfurt. Heute ist die Strecke Teil der Bundesautobahn 3, mit 769 Kilometern Länge die zweitlängste Autobahn in Deutschland zwischen Emmerich/ Elten und Neuhaus am Inn. Im Taunus und Westerwald mussten von der Autobahn zahlreiche Täler überwunden werden. Neben einer ganzen Reihe ähnlicher Bauwerke entstand in diesem Zusammenhang die Theißtalbrücke, bis heute Wahrzeichen Niedernhausens. Bei der Theißtalbrücke handelt es sich mittlerweile genau genommen um drei Brücken. Die erste und eigentliche Autobahnbrücke entstand zwischen 1937 und 1939. Sie besteht aus Stahlbeton, ist im Stil der damaligen Zeit aber außen mit rotbraunem Melaphyrstein verkleidet. Entworfen hat diese Brücke der Architekt Paul Bonatz, auch eine große Zahl weiterer Autobahnbrücken in ganz Deutschland entwarf. Paul Bonatz ging 1943 in die Türkei, eines seiner wichtigsten Werke dort ist die türkische Staatsoper in Ankara. Eine interessante Verbindung zwischen Niedernhausen und der Hauptstadt der Türkei…!
Parallel zur ursprünglichen Brücke verlaufen eine Erweiterungsbrücke für die verbreiterte Autobahn und die Brücke der ICE-Strecke Frankfurt-Köln.

(Die A3 mit Königshofen und Niedernhausen im Hintergrund, 1960er Jahre.)
Der „südlichste Punkt“ ist nicht nur als Verkehrsknotenpunkt interessant. Ein Stück nordöstlich jenseits der Bahnstrecke nach Wiesbaden liegt ein Stück Energiewende, der „Rabenwald“ mit seinem 2023 in Betrieb genommenen Solarpark. Eine ähnliche Anlage soll bei Niederseelbach entstehen.
Zwischen dem „südlichsten Punkt“ und Niedernhausen liegt das Gewerbegebiet an der Frankfurter Straße im Tal des Daisbaches. Dieses Bachtal war schon vor Jahrhunderten ein Wirtschaftsstandort, der Bach trieb nämlich mehrere Mühlen an. Der Straßenname „Hammergrund“ weist noch auf den „Hammer“, eine wassergetriebene Anlage zur Metallbearbeitung hin. Eisenverarbeitung im Gebiet um Niedernhausen ist schon in einer Urkunde von 1355 belegt (Quelle: Adolf Tham: Heimatgeschichte Niedernhausen. Band 2, Niedernhausen 1987, S. 32f.) Ein Stück bachabwärts, wo sich heute der DM-Markt befindet, gründete 1879 Jacob Feirabend aus Hofheim an der ehemaligen Rabenmühle eine Fabrik für Papier und Pappe. Feirabend erfand in seiner neuen Fabrik in Niedernhausen die Zellstoffwatte. Diese „Papierwolle“ kommt seither als Bestandteil von Verbandmaterial weltweit zum Einsatz. Die Firma Feirabend war über Jahrzehnte ein wichtiger Arbeitgeber in Niedernhausen, der letzte Besitzer Kurt Feirabend war als Förderer Niedernhausener Vereine hoch geschätzt.
Am Ende des Gewerbegebietes, direkt an der Gemeindegrenze zu Eppstein, liegt eine zum Teil noch erhaltene historische Mühle, die „Guldenmühle“. Dieser Name kommt in unserer Region öfter vor, die Guldenmühle in Niedernhausen soll ihren Namen einem besonderen Umstand verdanken. Bis 1803 verlief im Süden und Osten der heutigen Gemeinde Niedernhausen nämlich eine „internationale Grenze“. Hier stießen mit der Grafschaft (später Fürstentum) Nassau und dem Erzbistum Mainz zwei der über 30 deutschen Kleinstaaten aneinander. Einige der Steine mit Nassauer Löwe und Mainzer Rad, die die Grenze markierten, sind noch erhalten. Einer davon steht gut sichtbar an der Straße von Niedernhausen nach Oberjosbach. Der Müller auf der Guldenmühle musste an den Mainzer Erzbischof einen Gulden Sonderabgabe leisten, weil seine Mühle zwar im Nassauischen Gebiet stand, ein kleiner Teil der Mühlenanlage aber auf das Mainzer Territorium hinüber ragte. So lernten es jedenfalls Niedernhausener Schulkinder früher im Heimatkunde- oder Sachkundeunterricht…