Sommer -Serie

"Um die Vier Ecken" Teil 1: Norden

„Um die vier Ecken“

Wo fängt Niedernhausen an, wo hört die Gemeinde wieder auf? Ausgehend von Google Maps, sind wir für unsere kleine Sommer-Serie zum nördlichsten, südlichsten, westlichsten und östlichsten Punkt unserer Gemeinde „gereist“ und haben uns dort umgesehen. Erzählen uns diese zumindest auf der Karte markanten Punkte etwas über unsere Heimat? Gibt es dort besondere Spuren der Geschichte Niedernhausens und dessen, was unsere Gemeinde ausmacht?

(Grenzen unserer Gemeinde, wie sie auf Google Maps dargestellt sind.)

Die Gemeinde Niedernhausen, wie wir sie heute kennen, gibt es seit dem 1. Januar 1977. Damals traten die vorher selbstständigen Gemeinden Engenhahn, Niederseelbach, Oberseelbach und Oberjosbach der „Großgemeinde“ Niedernhausen bei. Schon 1971 hatten sich Niedernhausen und Königshofen „vereinigt“. Aber unsere Region hat noch viel mehr bewegte Geschichte hinter sich, einiges davon beeinflusst auch die Grenzziehungen. Zusätzlich sorgt die naturräumliche Prägung mit Hügeln, Tälern und Gewässern dafür, dass Niedernhausen so aussieht, wie es aussieht…


Norden: An der L3026 in Richtung Idstein, auf der „Dasbacher Höhe“

Der nördlichste Punkt Niedernhausens liegt sehr nahe an Idstein, die Grenze zwischen den beiden Kommunen bildet entlang der Landesstraße 3026 eine nach Norden reichende „Nase“ auf dem Hügelrücken, den man die „Dasbacher Höhe“ nennt. Unsere nördlichste Ecke ist unscheinbar, vom rekonstruierten Römerturm aus in Richtung Idstein ist es die Einmündung vom dritten Feldweg links…


Die Landschaft an der nördlichen Ecke ist von landwirtschaftlichen Nutzflächen geprägt, ohne Unterbrechung durch Wald oder Gehölze dehnen sich Getreide- und Rapsfelder links und rechts. Schaut man sich alte Fotografien unserer Landschaft an, fällt auf, dass die Felder früher deutlich kleiner waren, länger und schmäler. Das liegt an der Bewirtschaftung mit Pferde- und Ochsengespannen. Bei einem langen, schmalen Feld braucht man weniger oft zu wenden – das ist mit Zugtieren weniger einfach als mit den Traktoren, die heute im Einsatz sind! Mitten auf den Feldern stehen ganz selten noch alte Apfelbäume. In der Nähe der Dörfer haben sich noch mehr dieser Streuobstwiesen erhalten, und werden heute auch wieder neu angepflanzt.


(Blick vom Römerturm auf Idsteiner Gebiet in Richtung "nördliche Ecke" - die gegenüberliegende Straßenseite gehört zu Niedernhausen...)

Der Dasbacher Römerturm weist darauf hin, dass diese ziemlich zahme Kulturlandschaft vielleicht doch spannender ist, als man denkt… In der Regierungszeit des Kaisers Augustus (regierte 31 vor bis 14 nach Christus) schob das römische Reich seine Grenzen von Gallien bis an den Rhein vor. Moguntiacum, das heutige Mainz, wurde ein wichtiger Stützpunkt und Garnison mehrerer Legionen. Über den Rhein in die „Germania magna“ (das „große Germanien“) war es ein logischer Schritt, denn dort gab es für die Römer lukrative Handelsbeziehungen und fruchtbares Ackerland (z. B. in der Wetterau) „zu holen“. Um ihr Territorium rechts des Rheins zu markieren, errichteten die Römer ab etwa 100 n. Chr. eine Postenkette, die in den folgenden Jahrzehnten nach und nach mit Wällen, Palisaden und Wachtürmen weiter befestigt wurde. Der „Limes“ war, so sind sich heute die Forschenden einig, wohl niemals eine richtige „Grenzmauer“. Die Römer hatten weder die Truppenstärke noch die Technologie, um eine immerhin 550 Kilometer lange Grenze vom Rhein bis an die Donau lückenlos zu kontrollieren und zu verteidigen. Die heute als „Obergermanisch-Raetischer Limes“ bekannte Anlage diente wohl eher dazu, den Grenzverkehr zu beobachten, zu regulieren und – ganz wichtig – das Erheben von Zöllen erleichtern. 


(Rekonstruierter Limes-Wachturm bei Dasbach.)

Der Limes verlief genau hier, wo sich Niedernhausen und Idstein treffen. Damit nicht genug, hier verlief die Grenzlinie sogar doppelt. Eine südliche Grenzführung verläuft in einem Bogen entlang der Lahn-Main-Wasserscheide dicht an Niederseelbach vorbei und zwischen Dasbach und Oberseelbach hindurch. Die Straße, die rechts von der L3026 nach Dasbach abzweigt, folgt genau diesem Verlauf des Limes – und ist übrigens auch ein Stück Grenze zwischen der Gemeinde Niedernhausen und der Stadt Idstein. Um 145 n. Chr. wurde die Grenze ein Stück weit nach Norden vorgeschoben und begradigt – sie verlief jetzt schnurgerade durch das heutige Dorf Dasbach. Möglicherweise steht die heutige Dasbacher Kirche auf dem Fundament eines römischen Wachturms. Der Wachturm oberhalb von Dasbach, den man heute an jedem 1. Sonntag im Monat besichtigen kann, war nur einer von vielen Türmen, die in regelmäßigen Abständen die Grenze säumten.

Unsere Gemeinde liegt also sozusagen noch knapp innerhalb des römischen Imperiums, die Nachbarkommune schon „bei den Barbaren“…    

Wer sich über die römische Geschichte im Taunus tiefergehend informieren will, sollte dem Museum im rekonstruierten Kastell Saalburg bei Bad Homburg einen Besuch abstatten (https://www.saalburgmuseum.de/)! Bei den uns nächstgelegenen Limeskastellen „Zugmantel“ (Taunusstein-Orlen) und „Alteburg“ (Idstein-Heftrich) gibt es informativ beschilderte Rundwege. Eine weitere gute Informationsquelle ist der „Freundeskreis Limes Idsteiner Land“: https://limes-idsteiner-land.de/


Wenn wir uns vom nördlichsten Punkt der Gemeinde nach Süden wenden, in Richtung Ober- und Niederseelbach, schauen wir auf die Hohe Kanzel, mit 591 Metern Höhe der „höchste Berg“ Niedernhausens. Zwischen unserem Standort und der Hohen Kanzel liegt das Tal des „Seelbacher Grundes“. Hier liegt eines der ältesten und interessantesten Kulturdenkmäler unserer Gemeinde, die Johanneskirche in Niederseelbach. Die landschaftlich wunderschön gelegene Kirche ist im Stil der Spätgotik um 1500 erbaut worden, es scheint aber an der selben Stelle schon sehr viel früher eine Kirche gegeben haben. Die Lage außerhalb des Dorfes und das massive Fundament des Turms könnten auf eine Vorgängeranlage aus dem frühen Mittelalter hinweisen. Eindeutige Beweise durch Quellen fehlen aber bis zur ersten Erwähnung der Niederseelbacher Kirche im Jahr 1220. Ihre endgültige Form erhielt die Kirche 1779, als der Turm restauriert und mit der heute noch vorhandenen markanten Dachform, einer so genannten „welschen Haube“, versehen wurde (Quelle: Adolf Tham: Heimatgeschichte Niedernhausen, Band 4, Niedernhausen 1989, S. 46f., 54).

Johanneskirche in Niederseelbach

 (Die denkmalgeschützte Johanneskirche in Niederseelbach.)